Sonntag, 19. April 2020

das unsichere passwort oder - neue hobbies in der krise



der fall zum sadomasochismus ...

stephane hält´s sexuell mit dem luther´schen spruch << in der woche zwier, schadet weder ihm noch ihr >> und bevorzugt - chistlich veranlagt wie er ist - die missionarsstellung.
von seiner weltgewandten großmutter domenica bekommt er zu geburtstag den roman << safeword >> geschenkt. zwar war stephane bislang nicht gerade von den praktiken des sadomasochismus gefesselt, beim lesen des buches platzt aber sein sexueller gordischer knoten.

dergestalt von neuen phantasien aufgepeitscht, verschafft er sich - sozusagen von der kette gelassen -  im selbststudium die erforderlichen kenntnisse.

schließlich wendet er sich in gegenseitigem vertrauen an die dorfbekannte domina pierrette, um die maske des biedermannes abzuziehen ( und dafür die des latex anzuziehen ) und fürderhin sein lustvolles dasein als sklave zu fristen.

ohne viele worte findet sich stephane bald in pierrette´s lustkammer wieder und will mit selbiger gefesselten und geknebelten seine eigene version von shades of grey inszenieren.

in letzter sekunde fällt ihm ein, daß man noch ein safeword zum rechtzeitigen abbrechen der lustvollen tätigkeit vereinbart.

er schlägt der pierrette << sissi >> vor, welches von pierrette nicht beanstandet wird. daß pierrette - geknebelt wie sie ist - gar nichts sagen kann, kommt ihm dabei nicht in den sinn.

hüllen wir den mantels des schweigens über die kommenden minuten, stephane beschließt jedenfalls im eifer des erotischen gefechtes, der pierrette den knebel abzuziehen.

diese hat inzwischen von den lustvollen schmerzen genug und schreit das safeword << sissi >>.

leider wurde vergessen, daß pierrette lispelt, so daß sie statt << sissi >> nur << fiffi >> herausbringt, was stephane nicht als safeword zu erkennen vermag. der einzige zeuge des weiteren geschehens ist deswegen der hinter dem ofen hervorgelockte hund der pierrette namens fiffi.

pierrette gelingt es schließlich, dem stephane das knie in den - durch den zentai nur unzureichend geschützten - unterleib zu rammen, was dieser sowohl sinnlich als auch körperlich als unmißverständlichen nonverbalen abbruchcode zu deuten vermag.

pierrette ist ob stephane´s vertrauensbruch entrüstet und will anzeige erstatten. sie überlegt es sich anders, erzählt aber beim ( zufälligen ) besuch des staatsanwalts in ihrer lustkammer von dem vorfall ...

der staatsanwalt meint:

mein lieber stephane, da hast du dich ganz schön reingeritten ...

MINDESTENS hast du - obwohl du entfesselt warst - wegen des fesselns an das bett den tatbestand des § 177 stgb ( sexuelle nötigung ) und § 179 stgb ( sexuelle nötigung widerstandsunfähiger personen ) und den des § 239 stgb ( freiheitsberaubung ) erfüllt.

dazu kommt noch das delikt der gefährlichen körperverletzung, da du pierrette mit ihrem string gewürgt hast. das vereinbarte safeword hilft die dabei nicht, da du trotz bekanntgabe des stoppsignals nicht aufgehört hast.

kling sagt:

so einfach ist das nicht ...

zumindest in deutschland sind sadomaso praktiken dann nicht strafbar, wenn gegenseitiges einvernehmen herrscht. es wäre natürlich im rahmen dieses blogs unfair, dies damit bewenden zu lassen.

also helfen wir unserem - wie üblich sich irrenden - staatsanwalt und machen uns auf die suche nach in betracht kommenden möglichen tatbeständen.

beginnen wir mit den nötigungstatbeständen - stephane hat ja pierrette an das bett gefesselt und sich dann lustvoll vergnügt.

in betracht kommt deswegen die sexuelle nötigung nach § 177 stgb, der sexuelle mißbrauch widerstandunfähiger ( weil an bett gefesselt ) personen nach § 179 stgb, die allgemeine nötigung nach § 240 stgb und letztlich die freiheitsberaubung nach § 239 stgb.

allen nötigungsdelikten ist gemeinsam, daß hier die anwendung von gewalt oder die drohung mit einem empfindlichen übel vorliegen muß.

da hier aber ein safeword vereinbart ist, welches die handlung unmittelbar beenden kann, liegt hier der nötigungstatbestand nicht vor.

auch für den fall des § 179 stgb liegt kein fall echter widerstandsunfähigkeit vor, da ja das safeword vereinbart ist - aus diesen konstallationen heraus ist stephane also nicht zu bestrafen ( jaaaa, ich weiß, sie hat gelispelt, aber dazu kommen wir später ) ...

so laßt uns weitersuchen im bereich der körperverletzungsdelikte ...

als da wären die einfache körperverletzung nach § 223 stgb, die gefährliche körperverletzung nach § 224 stgb wegen verwendens eines gefährlichen werkzeugs ( hier pierrettes slip ) oder gar die schwere körperverletzung nach § 226 ( die ich hier aber nicht problematisiere, denn dies stellt tatsächlich einen extremfall dar und solange ist stepahne noch nicht an diese neigung gekettet, geschweige denn ein ausgewachsener bakushi ).

diese phalanx lusthindernder straftatbestände kann mit der einfachen gerte des § 228 stgb zerschlagen werden.

laienhaft gesprochen bedeutet dies die einwilligung des verletzten in die an ihm verübte körperverletzung.

kann man damit jetzt aufhören und des kling´s ausführungen abschließen ?

nein, natürlich nicht, denn die grenze des § 228 ist dann überschritten, wenn die handlungen des stephane trotz einwilligung der pierrette gegen die guten sitten verstoßen.

zwar hat der bundesgerichtshof in einer entscheidung aus dem jahr 2004 erklärt, daß körperverletzungen im rahmen des sadomasochismus nicht per se sittenwidrig sind und deswegen der § 228 grundsätzlich anwendung findet - wen es interessiert, hier geht´s zur entscheidung ...

grundsätzlich heißt aber, daß es grundsätzlich auch ausnahmen gibt und die wiederum sind sind fließend.

ich zitiere mal den bgh ( so einen satz könnte ich nie bilden ), der da sagt:

  • ... die grenze ist überschritten, wenn << bei vorausschauender objektiver betrachtung aller maßgeblichen umstände der einwilligende durch die körperverletzungshandlung in konkrete todesgefahr gebracht wird >> ...

da dies hier bei stephane´s treiben nicht in frage kommt, ist dieser nicht nach den obengenannten körperverletzungsnormen zu bestrafen.
aber halt, wir haben ja noch den unvermittelt hinter dem ofen hervorgelockten zeugen, des sissi´s ihr´n fiffi - tatsächlich könnte man hier auf die idee kommen, daß stephane hätte merken müssen, daß pierrette lispelt und der fiffi eine sigmatistische umschreibung des safewords ist. dann könnte er wegen fahrlässigen lustgewinns zu belangen sein.

da es eine fahrlässige nötigung nicht gibt ( setzt immer vorsatz - auf deutsch absicht voraus - ) käme immer noch eine fahrlässige körperverletzung nach § 229 stgb in betracht.

diese wird nach § 230 stgb aber nur auf strafantrag verfolgt und davon hat pierrettte ja abgesehen.

daß der staatsanwaslt beim pierrett´schen besuch nicht nur aber auch von ihrer schilderung gefesselt war ändert nichts daran, daß hier kein strafantrag vorliegt.  er ist deswegen nicht zu bestrafen.

bleibt mir gewogen

euer kling