Sonntag, 24. Mai 2020

der wucherschlüssel



der fall:

pierrette feiert bei freunden im dorf eine party und kommt nachts auf die idee, nochmal schnell nach hause zu laufen ( don´t drive drunk ! ), um dort ihr saxophon zwecks darbietung eines pete tex medleys in berauschter runde zu holen.

dem alkohol dankend, hängt sie ihren schlüssel an den saxohonständer, packt das sax ein und geht. sie merkt erst spät nachts - genau gesagt vor verschlossener wohnungstür -, daß sie bei ihrer saxBeschaffungsMaßnahme zwar ihren notenschlüssel, aber nicht wieder den haustürschlüssel mitgenommen hat.

selbst ist die frau und schnell die nummer des schlüsseldienstes << zum öffnenden stephane >> gewählt. dieser kommt auch rasch und als berufener türöffner ( selbst ein musiker - natürlich bassist ), öffnet er innerhalb von 5 sekunden mit einem gitarrenplektrum die tür.

den freudigen durakkorden ob des schnellen öffnens der tür folgen schnell düsterste mollklänge angesichts des zu zahlenden salärs, denn stephane, der musikalische türöffner verlangt ( auch unter jazzenden kollegen ) € 300.-- für seine dienste.

pierrette zahlt verstimmt das honorar, beschließt aber, den stephane - sozusagen als schlußakkord - wegen wuchers nach § 291 stgb anzuzeigen !

der staatsanwalt meint ...

liebe pierrette, ich bin deinem problem gegenüber aufgeschlossen. meine überprüfung ergab nämlich, daß diese leistung allenfalls 140.-- wert gewesen wäre. du befandest dich des nächtens in einer zwangslage und stephane als einziger türöffner im und vor ort hat hier deine mißbill ausgenutzt. ich werde deswegen den stephane wegen wuchers verfolgen !

kling sagt ...

so einfach ist das nicht !

das ausgesperrt sein alleine ist zunächst keine zwangslage im sinne des wuchertatbestandes.

erforderlich wäre vielmehr, daß darüber hinaus eine << besondere >> dringlichkeitssituation ( eingeschalteter herd, wasseraustritt oder gesundheitsgefährdende äußere umstände à la eiszapfen im hausflur ) vorliegt, die ein sofortiges erbringen der leistung erforderlich macht. dies ist bei unserer kurzzeitig obdachlosen pierrette nicht der fall.

auch ist pierrette nicht von der leistung des stephane als einzig verfügbarer türöffner abhängig. auch im nachbarort findet sich ein torwächter, so daß hier die wartezeit bis zu dessen eintreffen zumutbar ist ( und was der kostet ist nicht unser problem ). insoweit hat stephane auch die lage der pierrette von dieser warte her nicht ausgebeutet - übrigens weiß der anwalt aus eigener erfahrung, daß es keinen sinn macht, die polizei um hilfe zu bitten; außer villeicht um die telephonnummer eines schlüsseldienstes zu erfragen - aber mit einem dietrich versehen kommen tun sie nicht  ...

und selbstverständlich ist es der pierrette auch zumutbar, sich - wie bei allen rechtsgeschäften - nach den kosten für das öffnen des heimischen hortes zu erkundigen.

richtig ist zwar, daß der wuchertatbestand dann erfüllt wäre, wenn das begehrte türöffnerhonorar das doppelte des ortsüblichen beträgt; aber zunächst nur dann, wenn diese höhere vergütung auch tatsächlich vereinbart ist. hier hat pierrette aber den stephane fernmündlich ( nämlich mit dem herbestellen ) beauftragt und keine besondere vergütung vereinbart.

die << besonderen umstände >>, die das honorar im nachhinein als überzogen darstellen ( und damit den wuchertatbestand erfüllen würden ), liegen aber - zumindest bei pierrette´s nächtlichen musikalischen abenteuer - nicht vor. deswegen sind auch die übrigen tatbestandsvoraussetzungen des § 291 stgb nicht erfüllt.

insoweit muß für den stephane auch keine zellentür geöffnet werden, weil er einen rechtmäßigen werkvertrag geschlossen hat.

bleibt mir gewogen

euer kling