Sonntag, 26. Juli 2020

die falsche anklageschrift ...


einwendungen gegen die eröffnung des hauptverfahrens ...
 
der fall:
stephane ist verwirrt - gestern fand er im briefkasten einen umschlag, von der farbe her passend zu dem zu erwartenden regnerischen wochenende - und das ende juli !.
auch der inhalt ist ( ebenso wie die wettervorhersage ) nicht geeignet, sonnenlicht in das trübe grau der nächsten zukunft zu bringen, denn ihm wird der versuchte totschlag seiner ex pierrette vorgeworfen.
er ist sich aber sicher, daß er mit dem ganzen nichts zu tun hat, denn erstens war er an dem vorgeworfenen tag in urlaub in amerika und zum anderen steht in der anklage zwar sein name und sein geburtstag, aber eine ganz andere adresse und ein anderer geburtsort.
die hoffnung auf einen guten ausgang stirbt aber bekanntlich zuletzt, denn auf dem begleitschreiben steht

stephane denkt, ich brauche ja eigentlich gar keinen anwalt, denn ich war´s ja nicht. ich rufe mal den staatsanwalt an, der soll das regeln, der hat das schließlich verbockt. ich jedenfalls kann beweisen, daß ich damit nichts zu tun habe - und er greift zum hörer ...
der staatsanwalt meint:
mein lieber stephane, ich habe die anklage schon an das gericht geschickt und wenn du da nörgeln willst, dann mußt du ( oder dein anwalt, ich empfehle da den kling ) dich mit dem vorsitzenden richter ins benehmen setzen.
aber grundsätzlich habe ich den tatverdacht gegen dich überprüft, alles ermittelt und sorry- du warst das. wenn du anderer meinung bist, mußt du das in der hauptverhandlung regeln. hin mußt du aber und das ding läuft !
kling sagt:
so einfach ist das nicht !
schauen wir mal, was jetzt im richterzimmer passiert ...
zuunächst befürchtetst du wohl wie viele von kling´s mandanten einen rechtsverlust wegen der im begleitschreiben zur anklage genannten frist nach § 201 stpo ( das sind die zwei wochen, die du in der anklageschrift liest ).
aber keine angst wegen der im begleitschreiben zur anklage genannten fristen ! diese frist bezieht sich nur auf die dort genannten beweiserhebungen und einwendungen.
liest sich toll, aber was ist damit gemeint ?
nach eingang der anklageschrift hat das gericht zu entscheiden, ob es die erhobene anklage überhaupt zur hauptverhandlung gegen dich zuläßt.
der vorsitzende richter hat also darüber zu befinden, ob und inwieweit die vorwürfe der staatsanwaltschaft zutreffen können. es wird also geprüft, ob du nach dem ergebnis der ermittlungen, wie sie in der anklageschrift niedergeschrieben sind, der tatbegehung hinreichend verdächtig bist.
dazu gehört natürlich auch die frage, ob du überhaupt der stephane bist, den die anklage meint. hier wird also in einem falle wie deinen ( anderer geburtsort und andere anschrift ) dein anwalt zu prüfen haben, ob es noch einen stephane mit dem gleichen namen und dem gleichen geburtsort gibt. sollte dies tatsächlich der fall sein, wären neue ermittlungen anzustellen, ob das verfahren vielleicht gegen stephane II zu führen wäre.
das wäre also ein einwand, der die eröffnung des hauptverfahren gegen dich verhindern könnte ( und wer jetzt denkt, so was an den haaren herbeigezogenes kann nur dem kling einfallen, der irrt ! tatsächlich konnte genau mit einer solchen begründung - zugegebener maßen schon einige jahre her - der vorwurf gegen einen von kling´s mandanten zu fall gebracht werden ).
natürlich gibt es noch andere einwendungen, zB die frage, ob die strafrechtliche verfolgung nicht schon verjährt ist. fast jede straftat kann nach ablauf einer bestimmten frist nicht mehr verfolgt werden, das steht in § 78 stgb.
an dieser stelle drei interessante hinweise:
  • mord verjährt nie !
  • andere straftaten mit lebenslang nach 30 jahren
  • bei sexualstraftaten gegen minderjährige läuft die verjährungsfrist erst ab deren 18. geburtstag
manchmal kann auch eine anklageschrift in sich falsch sein. beliebtes beispiel ist eine zu unbestimmte anklageschrift - da würde dann zum beispiel stehen, daß stephane irgendwann im jahre 2016 eine unbestimmte menge eines nicht zu ermittelnden betäubungsmittel von einem unbekannten zu einem nicht mehr feststellbaren preis erworben hat. das hätte mal wirklich gute chancen, das verfahren zum absturz zu bringen ( und ja, auch solche anklagen gibt es tatsächlich ).
die im wahrsten sinn des wortes ultimative einwendung gegen die eröffnung des hauptverfahrens wäre übrigens, daß du verstorben bist - was dir naürlich nicht mehr viel nutzt, aber trotzdem muß dein verteidiger dies - sozusagen posthum - beantragen.
die genannte frist betrifft deswegen lediglich beweiserhebungen und einwendungen, die die eröffnung des hauptverfahrens (also die frage der einleitung des gerichtsverfahrens) als solches betreffen.
die andere frage ist die, ob die tatsache, daß stephane in wahrheit in urlaub war, geeignet ist, die eröffnung zu verhindern.
und das ist sie gerade nicht !
ob stephane die tat begangen hat, wird nämlich erst in der hauptverhandlung untersucht.
alle beweiserhebungen, die also die frage seiner schuld oder unschuld betreffen, sind in der hauptverhandlung zu tätigen und unterfallen nicht dieser frist. es handelt sich hierbei also nicht um einwendungen, die die frage einer tatbegehung als solche betreffen. diese werden im rahmen der verhandlung geltend zu machen sein.
alle beweisanträge, die für den ausgang des verfahrens bedeutsam sind und die frage der tatbegehung und schuldfrage  betreffen, können jederzeit und auch im verlauf des gerichtsverfahrens gestellt werden.
wobei selbstverständlich ein frühzeitig eingeschalteter kling schon im rahmen des ermittlungsverfahrens, also vor erhebung der anklage, den antrag stellen würde, das verfahren einzustellen und den nachweis erbracht hätte, daß stephane tatsächlich in amerika war.
in stephane´s verfahren hätte man also, auch wenn stephane der ist, der in der anklage steht ( und das verfahren eröffnet worden wäre ), in der verhandlung den beweisantrag gestellt, daß stephane in amerika war.
und dann heißt es

bleibt mir gewogen ...
euer kling